Vom Wert der Bildung und von der Wertebildung
Festakt erinnert an 300 Jahre akademische Lehrtradition in Amberg
„Gelehrsamkeit ohne Tugend hat nicht den geringsten Wert. Studierende sollen sich also auch eines vorzüglichen sittlichen Betragens befleißigen, umso mehr als sie während eines Jahrelangen kostspieligen Unterrichts das Gute von dem Bösen unterscheiden, ihre Leidenschaft bezähmen und über ganz ungebildete Menschen sich erheben gelernt haben könnten und sollten.“ So verkündete Kanzler Ludwig von Stern ein Leitbild für Studierende. Bevor Verwirrung entsteht oder gar Diskussionen in den sozialen Netzwerken aufkommen: Es handelt sich um Statuten aus dem Jahr 1823 und die Aufforderung richtet sich auch nicht an Studierende an der OTH Amberg-Weiden, sondern an Studierende des „königlichen Lyzeums“, einer akademischen Bildungseinrichtung, die vor 300 Jahren in Amberg gegründet wurde.
Seit 300 Jahren existiert somit eine Tradition akademischer Lehre, an welche unlängst ein von der Hochschule ausgerichteter Festakt erinnerte. Der Kongregationssaal im Maltesergebäude bot dabei nicht nur einen würdigen und historischen Rahmen, sondern ermöglichte auch den Blick auf das mintgrüne Lyzeums-Gebäude, das noch heute dem Malteserkomplex gegenübersteht und bis vor kurzer Zeit das Amberger Bergamt beheimatete.
Dort wurden ab dem Jahr 1723 (männliche) Studierende in verschiedenen theologischen und philosophischen Studiengängen ausgebildet: Sprachen (Griechisch, Latein und Hebräisch), bayerische Geschichte, angewandte Mathematik, Experimentalphysik und Chemie, Logik, Metaphysik, Psychologie, Bibelkunde, Kirchengeschichte und Kirchenrecht, Moraltheologie und Hermeneutik. Im Gespräch ließen Moderatorin Kathrin Müller und Hochschulseelsorger Dr. Markus Lommer die Geschichte des Hauses Revue passieren. Die Lyzeen sind trotz ihrer inhaltlichen Ausrichtung und der kirchlich-staatlichen Trägerschaft tatsächlich Vorgänger der späteren Fachhochschulen. Und das Amberger Institut markierte als ältestes Haus den Beginn dieser Schulform.
Wie sich die Arbeit der Lehrenden im Laufe der Jahrhunderte änderte, zeigten zwei Lesungen aus den „Gesetzen und Vorschriften für die Kandidaten des königlichen Lyzeums zu Amberg“, die Kanzler von Stern von der Empore des Saals vortrug und die eingangs bereits zitiert wurden. Vor allem die Verbote sorgten für Heiterkeit. Studierende durften nicht Bier- und Weinhäuser besuchen, öffentlich tanzen und Theater spielen, Tabakrauchen, Schuldenmachen, Lügen, das Lesen sittenverderbender Bücher, der Umgang mit dem anderen Geschlecht, verboten war auch, sich Schnur- und Spitzbärte stehen zu lassen, auffällig gefärbte Kleidung anzuziehen sowie Degen und andere Waffen in die Vorlesung mitzubringen.
Einen ganz anderen Blick auf die Geschichte warf Dr. Bastian Vergnon, der im Sinne der kontrafaktischen Geschichtsschreibung die Frage stellte, was wäre gewesen, wäre die OTH Amberg-Weiden nicht gegründet worden? Vizepräsident Prof. Dr. Wolfgang Weber fand darauf erstaunlich viele Antworten, die weit über das dann fehlende Ausbildungsangebot hinausreichten. So wurde sichtbar, welche Rolle die Hochschule heute nicht nur für die Bildungslandschaft, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Oberpfalz sowie die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft spielt.
Dabei ist Bildung immer zunächst eine persönliche Angelegenheit. Vizepräsidentin Prof. Dr. Christiane Hellbach, die langjährige Studierendenvertreterin Sophie Spies, Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny oder Stadtpfarrer Markus Brunner gaben im Interview mit Dr. Matthias Schöberl Einblicke in ihre Bildungsbiografien und formulierten auch Wünsche und Herausforderungen für die Zukunft. Bayerns Finanzminister Albert Füracker ist einer der wenigen Spitzenpolitiker, die nicht studiert haben. „Ich stehe dazu, dass es Menschen unterschiedlicher Begabung gibt“, meinte Füracker. „Es muss nicht nur Menschen geben, die an Hochschulen und Universitäten studieren, sondern auch noch solche, die die Hochschulen erst einmal bauen.“
Den Blick in die Zukunft warf dann Prof. Dr. med. Clemens Bulitta, der Präsident der OTH Amberg-Weiden. Einem Bildungskapitalismus, wie er an privaten Hochschulen gepflegt wird, erteilte er eine klare Absage. Auftrag aller Akteure in der Bildung, angefangen von der frühkindlichen Erziehung, über Schule und berufliche Bildung bis hin zur akademischen Bildungseinrichtung, sei es „Mut und die Bereitschaft zu wecken, für sich und das eigene Leben Verantwortung zu übernehmen“. Ziel sei eben nicht nur der berufliche Erfolg, sondern vielmehr ein ganzheitlich erfolgreiches Leben. Der Wert der Bildung liege weniger darin, materielle Werte zu bilden, sondern mehr in der Wertebildung.
„Es braucht neben technologischen und digitalen Kompetenzen vor allem klassische grundlegende Kompetenzen wie Lösungsfähigkeit, Kreativität, Eigeninitiative, Interkulturelle Kommunikation und Resilienz aber vor allem auch transformative Kompetenzen, um den Wandel zu gestalten. Dazu gehören Urteilsfähigkeit, Innovationskompetenz, Veränderungskompetenz und nicht zuletzt Dialog und Konfliktfähigkeit“, so Bulitta.
Maximilian Tutsch und Sebastian Birner vom Amberger Erasmus-Gymnasium und Alex Budzhak von der Berufsfachschule für Musik in Sulzbach-Rosenberg umrahmten den Festakt mit variantenreicher Musik und großer Spielfreude. Ein kleiner Empfang rundete die gut besuchte Veranstaltung ab.