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Mehr Sicherheit im OP-Saal – Messkampagne an der OTH Amberg-Weiden

Messungen im OP-Raum
Im Lehr- und Forschungs-OP der OTH Amberg-Weiden wird bei simulierten Operationen die Partikelfreisetzung gemessen.

Was haben ein moderner OP-Saal und Raumfahrt gemeinsam? Ziemlich viel. Denn an beiden Orten können kleinste Verunreinigungen gravierende Schäden anrichten. Auf der einen Seite wird die Patientensicherheit gefährdet, auf der anderen Seite können empfindliche Geräte kontaminiert und dadurch massiv in ihrer Funktionsweise geschädigt werden. In beiden Fällen werden die Tätigkeiten deshalb in mit Reinstluft gespülten Räumen durchgeführt. Personen, Bewegungsabläufe, Werkzeug und Geräte sind dabei die größten Störfaktoren und essenziell für das Risikomanagement.

Messungen im OP-Raum
Im Lehr- und Forschungs-OP der OTH Amberg-Weiden wird bei simulierten Operationen die Partikelfreisetzung gemessen.

Dieser Aufgabenstellung hat sich ein Konsortium aus Industrie und Forschung angenommen, unter ihnen die OHB System AG, das Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) der Universität Leipzig, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Merkle CAE Solutions GmbH, Sphera Technology und die OTH Amberg-Weiden. Im Rahmen einer groß angelegten Messstudie wollen die Partner an einer repräsentativ nachgestellten Operation die räumliche Luftströmung sowie den möglichen Kontaminationstransport mithilfe von verschiedenen Messverfahren erfassen und mit numerischen Simulationen vergleichen. Der so erstellte virtuelle digitale Zwilling soll Verwendung bei OP-Planungen, Abnahmen, Operationsplanungen, Hygienekonzepten und Schulungen finden. Weitere spannende Anwendungsfelder für eine experimentell verifizierte Simulation von Luftströmungen spielen in anderen gesellschaftlichen, industriellen und medizinischen Bereichen eine entscheidende Rolle.

„Dieses Gemeinschaftsprojekt ist ein ausgezeichnetes Beispiel für angewandte und interdisziplinäre Forschung. Wir sind sehr stolz, dabei zu sein und unsere wissenschaftliche Expertise im Bereich Medizintechnik und insbesondere Luftströmungsmessungen einbringen zu können“, so Prof. Dr. Clemens Bulitta, Präsident der OTH Amberg-Weiden.

„Das Ziel unserer Untersuchungen ist die Kombination aus simulierten Daten und tatsächlichen Messwerten. Dadurch kann letztendlich der Einfluss verschiedenster Faktoren auf die infektionspräventive Lüftungstechnik in modernen Operationssälen beurteilt werden und ist damit ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Hygiene und Patientensicherheit“, fasst Dr. Sebastian Buhl, Leiter des Labors für Hygiene und Medizintechnik an der OTH Amberg-Weiden, zusammen.

Aktuell läuft dazu eine Testwoche an der OTH Amberg-Weiden. Dabei werden realitätsgetreue Daten, die im Nachgang durch CFD-Simulationen (CFD = Computational Fluid Dynamics) der Firma Merkle CAE Solutions GmbH nachgerechnet werden, mit Messdaten aus dem realen Operationssaal verglichen. Im Lehr- und Forschungs-OP der Hochschule werden dafür detailgetreu simulierte Operationen unter Anleitung des ICCAS durchgeführt. Die Luftströmung wird an relevanten Stellen dotiert und mithilfe eines Detektorgrids die Ausbreitung im Ort und Zeit an 45 Messpunkten durch das DLR Göttingen gemessen. Zusätzlich werden Prüfpartikel von Sphera verwendet, um die Sedimentation von möglichen Kontaminationsquellen zu erfassen. Somit werden für verschiedene Szenarien die Partikelfreisetzungen und das Kontaminationsrisiko mit Daten erfasst.

„Die Detailgenauigkeit, mit der die Szene in der CFD-Simulation abgebildet wird, ist einzigartig“, so Stefan Merkle, CEO von Merkle CAE Solutions. „Weg vom Menschen als Zylinder hin zu realistisch abgebildeten, sich bewegenden Personen mit Kleidung.“

In vielen kontaminationskritischen Anwendungen werden Reinräume als Grundlage gefordert. Das Grundprinzip stellt hierbei die Umströmung des zu schützenden Objektes mit gefilterter primärer Reinstluft dar. Dieser Ansatz stellt die Basis für manches Regelwerk hinsichtlich dem Raumdesign, Realisierung und Abnahme dar. Für ein risikoreduziertes Betreiberkonzept sind die Personen, deren Tätigkeiten sowie feste und wechselnde Geräte als massive Störgrößen der Luftführung extrem wichtig. „Unser Ansatz möchte den Betreibern hinsichtlich dieser Fragestellungen ein schnelles, flexibles und transparentes Werkzeug an die Hand geben. Neue Auslegungen, flexible Modifikationen, aber auch Prozessoptimierungen können somit kostengünstig optimiert werden“, erläutert Dr. Axel Müller, Gesamtprojektleiter der Studie und Senior Expert Contamination Control bei OHB System. Somit kann die Effektivität von klinischen Lüftungssystemen verbessert und dadurch die Patientensicherheit erhöht werden.

„Für die Patientensicherheit ist das Projekt ungemein wichtig, da das Risiko für die Infizierung mit pathogenen Keimen während Operationen und Eingriffen deutlich reduziert werden kann. Dies kann zukünftig zum Beispiel auch in der OP-Planung, der Schulung von Mitarbeitenden oder bei der Gefährdungsbeurteilung medizinischer Geräte eingesetzt werden“, weiß Prof. Dr. Andreas Melzer, Executive Director Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS).

Über das Projekt

Die Messstudie läuft noch bis Ende des Jahres, dann soll die Datenauswertung abgeschlossen sein. Aber auch nach Projektende sind weitere Aktivitäten geplant. So könnten die Ergebnisse genutzt werden, um Programme und Tools zur OP-Planung oder Schulung zu entwickeln. Außerdem können die Ergebnisse auch in anderen Branchen und Industrien übertragen werden.

Gefördert wird das Projekt durch das Spark Funding von ESA und DLR, eine Maßnahme zur Unterstützung und Beschleunigung des Technologietransfers von Raumfahrttechnologien in den Nicht-Raumfahrtbereich.

Aufnahme der Infrarotkamera
Mit einer Infrarotkamera wird die Wärmeabstrahlung der Anwesenden gemessen.
CFD-Modell des OP-Raums
Die simulierten Werte werden mit den gemessenen abgeglichen: CFD-Modell des OP-Raums (Quelle: Müller/ OHB System AG)
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