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Spielregeln fürs Homeoffice

Brettspiel

Vielen Menschen war bisher nicht bekannt, wie arbeiten und studieren zuhause funktioniert. Auch ich musste erst einmal Spielregeln für Heimstudium und -arbeit aufstellen.

Brettspiel

Arbeiten und studieren zuhause – damit hatten bisher nur wenige Menschen Erfahrung. Doch nun besteht für die Meisten die Möglichkeit den Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden aufgeschlagen. So auch für mich. Hochschule und Büro sind beide in mein Haus eingezogen. Und ich habe schnell gemerkt: So ein Homeoffice bietet durchaus Vorteile – keine zeitraubendes Pendeln mehr, unbeschränkter Zugang zur Kaffeemaschine und den Kühlschrank, Mittagspause auf der eigenen Terrasse – aber es ist nicht alles besser. Ich habe auch schnell herausgefunden: ich muss erst einmal Spielregeln fürs Homeoffice aufstellen, damit ich zuhause genauso effizient arbeiten und lernen kann, wie in Hochschule und Büro:

Laufe nicht in Flipflops auf den Berg

Wenn ich in der Vergangenheit Wandern war, habe ich mich immer wieder über Menschen gewundert, die meinen sie könnten mit Flipflops einen Berggipfel erreichen und dann auf halber Strecke einsehen, dass sie es nicht können. Ähnliches habe ich zu Beginn meiner Homeoffice-Zeit versucht: ich saß mit dem Laptop auf meinem Schoß auf der Couch, ohne Maus nur mit Touchpad und der Block neben mir war nur mit unangenehmen Armverrenkungen beschreibbar. Nach einer Woche habe ich eingesehen, dass es so nicht geht. Ich habe mich an meinen Schreibtisch gesetzt – obwohl die Couch bequemer war, ich habe einen alten Monitor aufgetrieben, ebenso eine Maus. Seitdem läuft es besser.

Klappe zu, Affe tot

Eine weitere Besserung, die sich mit meinem Umzug von der Couch zum Schreibtisch ganz automatisch eingestellt hat, ist die Ruhe. Vorher auf der Couch im Wohnzimmer kam alle paar Minuten ein Familienmitglied an mir vorbei, hat Lärm gemacht, mit mir gesprochen – kurz: hat mich abgelenkt. Jetzt an meinem Schreibtisch, in meinem Zimmer, hinter einer verschlossenen Tür konnte ich meine Familie aussperren und werde nicht mehr mehrmals in der Stunde von ihnen abgelenkt. Bedeutet: ich kann mich mehr auf meine Arbeit konzentrieren und komme schneller und effizienter voran.

Frischluft

Klingt simpel und banal, ist meiner Erfahrung nach aber nicht zu unterschätzen. Als ich während der Arbeit nicht widerstehen konnte und mich bei einem Streifzug durchs Haus auf die Suche nach unseren letzten Schoko- und Kaffeeressourcen machte, kam ich glücklich, aber mit schlechtem Gewissen in mein Arbeitszimmer zurück und lief praktisch gegen eine Wand. An meinem Arbeitsplatz herrschte ein derartiger Mief, dass ich mich fragte, wie ich das die letzten Stunden nicht bemerkt haben konnte. Ich riss das Fenster auf und merkte, es riecht nicht nur angenehmer, mein Kopf arbeitet mit Frischluftzufuhr auch deutlich besser.

Finger weg vom Süßigkeitenregal

Da ich diesen Punkt gerade schon erwähnt hatte, jetzt gleich noch einmal in aller Deutlichkeit: Homeoffice birgt die akute Gefahr des Süßigkeitenschocks. Anfangs dachte ich es sei eine geniale Idee, dass ich mich für jeden erfolgreich erledigten Punkt auf meiner To-Do-Liste mit einem Rippchen Schokolade belohnte. Schon nach einigen Tagen erklärte mir meine Waage sachlich gnadenlos: die Idee ist vielleicht doch nicht so genial. Aber nicht nur das Süßigkeitenregal ist eine Verlockung, der man im Homeoffice zu widerstehen lernen muss. Das gleiche gilt auch für den Kühlschrank und die Kaffeemaschine. Einen besseren Rat als eiserne Disziplin habe ich für dieses Problem aber bisher noch nicht gefunden.

Mach was

Im Zusammenhang mit vermehrtem Essen, habe ich auch entdeckt wie wichtig es ist aktiv Sport zu treiben. Vor meiner Zeit im Homeoffice habe ich mit Arbeitsweg, Laufen von Vorlesungssaal zur Vorlesungssaal, Besuch der Cafeteria et cetera meine tägliche Schrittzahl in einen akzeptablen Bereich gebracht. Jetzt freue ich mich schon, wenn die Zahl wenigstens dreistellig ist. Umso öfter gehe ich momentan Joggen, Inlinern oder Radfahren. Dabei ist es mir nicht nur wichtig in Bewegung zu bleiben, sondern es tut mir auch gut für eine Stunde oder zwei aus dem Haus herauszukommen und Distanz zu meiner Arbeit zu schaffen.

Täglich grüßt das Murmeltier

Während der Reporter im Film sich eher über den immer gleichen Tagesablauf aufregt, sehe ich es positiv. Ich brauche einen klar strukturierten Tag, um nicht unnötig Zeit zu verschwenden. Ich stehe jeden Tag brav um halb acht auf, frühstücke, stelle meine To-Do-Liste für den Tag auf, arbeite, mache Mittagspause, arbeite und gehe dann bewusst in den Feierabend. Ich brauche diese klar zeitliche Struktur aus Arbeit, Pausen und Freizeit, da ich räumlich keine Trennung mehr herstellen kann. Ohne eindeutige Struktur stresse ich mich zunehmend, wie ich lernen musste.

Tod stellen

In diesem Zusammenhang noch eine weitere Regel für mich: am Wochenende stelle ich mich tot. Denn das Problem mit dem Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Prinzip ist, dass sich irgendwann ein Trott einstellt. Montag ist wie Dienstag ist wie Mittwoch und so weiter und so fort. Deswegen halte ich mich jetzt viel strenger als sonst daran am Wochenende nichts zu arbeiten. Das sind meine zwei Tage Erholung in denen ich auf keine Emails, keine Anrufe und auch auf keine andere Form der Kontaktaufnahme reagiere –  diese haben im Homeoffice ohnehin nicht nur zugenommen, sondern sich auch zeitlich auf rund um die Uhr ausgeweitet.

Man kann nicht nicht kommunizieren

Mit Social-Distancing wird es immer wichtiger bewusst in Kontakt mit seinen Mitmenschen zu bleiben, heißt es. Das mag fürs Private stimmen, aber vor allem im Studium merke ich, dass in Corona-Zeiten häufig zu viel kommuniziert wird. Trifft man sich zu einem Arbeitsmeeting werden bei der Gelegenheit auch alle nicht-relevanten Themen abgearbeitet, die man sonst beim Mittagessen oder in den Pausen besprochen hätte. Das Ergebnis: Man redet ewig, aber nicht über die Arbeit. Ich bin dazu übergegangen darauf zu pochen, erst das Wichtige zu besprechen und danach alles andere. Und das während der Arbeitszeit auch nur in Maßen. Wenn wirklich, verabrede ich mich für abends noch einmal zu einem Telefonat. Ansonsten verbringe ich meine Arbeitszeit tratschend und kann erst sehr spät Feierabend machen.

Das Internet läuft nicht weg

An dieser Stelle noch ein zweiter Störfaktor, der problemlos auf den Feierabend und das Wochenende verschoben werden kann: Surfen im Internet. Ich selbst erwische mich immer wieder dabei, während der Arbeit, wenn meine Gedanken gerne abschweifen wollen, Dinge im Internet nachzuschauen, die mir gerade einfallen. Die Folge: ich recherchiere Sachen, die mich bei genauerem Nachdenken eigentlich gar nicht wirklich interessieren, und arbeite nicht. Und warum mache ich das? Weil ich mir einbilde, das was ich nachschauen will sei wichtig und bis zum Feierabend habe ich vergessen, dass ich es recherchieren wollte. Meine Lösung ist also: Ich schreibe mir auf was ich nachschauen wollte und merke dann nach der Arbeit, dass es mich gar nicht mehr interessiert. So habe ich in doppelter Sicht Zeit gespart: während der Arbeit und in meiner Freizeit.

Locker machen

Und last but not least: Lockerungsübungen. Die spielen auch im Büro eine Rolle, aber jetzt zuhause noch mehr als zuvor. Denn zuhause habe ich keinen tollen ergonomischen Bürostuhl, wie in der Arbeit. Ich sitze länger und mehr und ich ersetzte Bewegung zunehmend durch Schokolade. Deswegen – und weil es meine Arbeitsmotivation erhält – dehne ich mich regelmäßig und halte mich gerade genug, um nicht unter enormen Verspannungen zu leiden.

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