Beiträge unserer „Zugvögel“
Global Volunteer in Indonesien
an der SMA Muhammadiyah 1 Taman
Direkt nach meinen Prüfungen an der Hochschule Amberg-Weiden habe ich mich aufgemacht. Es ging mit Singapur Airlines ab nach Surabaya, eine Großstadt in Indonesien. Aufgrund der Prüfungen und den zahlreichen Vorbereitungen kam ich noch gar nicht so richtig dazu, mir über mein soziales Projekt Gedanken zu machen. Hauptsächlich verspürte ich nur große Vorfreude auf die Zeit und die zahlreichen neuen Erfahrungen. Als ich dann endlich in Surabaya gelandet war, stieg auch meine Nervosität.
Ich wusste bereits im Voraus, dass einige Lehrerkollegen, ein Verantwortlicher von AIESEC und meine Gastmutter auf mich warten werden. Als ich dann in die Empfangshalle mit meinem Gepäck ging, sah ich sofort eine Gruppe, die ein Schild mit meinem Bild und Namen hochhielten. Alle strahlten mich bereits von weitem an und ich konnte ihre riesige Vorfreude sehen. Nach einer ausgiebigen Begrüßung ging es direkt zu einem Restaurant, in dem wir gemeinsam gegessen haben. Dort warteten dann bereits der Schulleiter und weitere Vertreter der Senior High-School SMA Muhammadiyah 1 Taman auf mich. Nach dem Essen ging es dann für mich direkt zu meiner Gastmutter, die mich herzlich begrüßte. Nach einem kurzen Kennenlernen fiel ich doch etwas geschlaucht von dem langen Flug direkt ins Bett.
Am nächsten Tag um halb 4 morgens wurde ich von dem Betgesang der Moschee geweckt. Denn die Hauptinsel von Indonesien ist streng muslimisch und somit prägen zahlreiche Moscheen das Stadtbild. Bereits um halb 4 morgens beginnt das erste von 5 Gebeten. Dieses dauert fast eine Stunde bis halb 5 an, jedoch folgt bereits knapp eine halbe Stunde später das zweite. Da ich meistens bereits ab 4 Uhr wach war, hat sich das bei mir so eingebürgert, dass ich erstmal mit einem Telefonat in die Heimat in den Tag startete, da es aufgrund der Zeitverschiebung zuhause 22 Uhr war. Um 6 Uhr wurde ich dann immer von meiner Vertrauenslehrerin mit dem Moped abgeholt und zur Schule gebracht. Der Straßen in Indonesien sind überfüllt mit tausenden Mopeds und dazwischen ein paar Autos, die kaum eine Chance haben durchzukommen. Nachdem wir an der Schule angekommen waren, habe ich mich gemeinsam mit den anderen Lehrern vor den Eingang der Schule gestellt. Ich ware so überrascht und auch ein wenig überfordert, als jeder einzelner Schüler sich zur Begrüßung vor mir verneigte und dabei leicht meine Hand küsste. Im ersten Moment wollte ich am liebsten sagen, dass sie das doch wirklich nicht tun müssen. Jedoch verstand ich schnell, dass dies eine respektvolle Geste gegenüber Älteren und Lehrern ist. Bevor die erste Unterrichtsstunde beginnt, stehen alle Schüler und Lehrer auf und singen gemeinsam zuerst die Nationalhymne und im Anschluss daran die Hymne der Schule.
Nach den vielen neuen Eindrücken wurde ich direkt erneut überrascht, denn die Lehrer und Schüler hatten eine kleine Willkommensszeremonie für mich vorbereitet. Etwas überfordert und berührt folgte ich den Lehreren in die schuleigene Moschee. Zuerst wurde gemeinsam gebetet und gesungen. Danach folgten einige Ansprachen vom Schulleiter und einigen Lehrern. Nach dem herzlichen Willkommen war dann ich an der Reihe mich vorzustellen und eine kurze Rede zu halten. Zunächst war ich wirklich sehr aufgeregt, jedoch merkte ich schnell, dass es hier in Indonesien nicht allzu sehr auf die Korrektheit ankommt, sondern auf das Menschliche.
Am ersten Wochenende ging es gleich mit knapp 200 Schülern und Lehrern nach Bali. Eine 12 stündige Busfahrt mit jeder Menge Karaoke und gemeinsamem Singen stand mir bevor. In den nächsten Tagen haben wir zusammen die schönsten Orte von Bali besucht. Der erste Halt war eine Speed-Boot Tour zu einer Aufzuchtfarm für Schildkröten. Nach einem gemeinsamen Essen ging es anschließend zu einem Badestrand. Dort wurde streng zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Touristen unterschieden, denn im muslimischen Bereich ist es nicht angebracht, einen Bikini zu tragen. Den Abend ließen wir gemeinsam mit Livemusik ausklingen, bevor wir uns am nächsten Tag zu den Tempeln aufmachten.
Dort erlebte ich das erste Mal so richtig, wie Selfie-verrückt die Indonesier sind. Nach einer Fotosession mit den Schülern kamen zahlreiche Touristen aus ganz Asien an, um auch ein Bild mit mir zu erhaschen. Nach kurzer Zeit wusste ich, dass meistens nur noch Fliehen half. Durch den ganzen Trubel und das große Interesse um mich fiel ich nachts immer total erschöpft ins Bett. Am dritten und letzten Tag ging es noch einmal an eine schöne Bucht, in die Stadt und auf Märkte, bevor wir uns über Nacht wieder auf den Nachhause-Weg machten.
Neben dem normalen Unterricht standen regelmäßig zahlreiche Projekte auf dem Stundenplan. Im Rahmen eines Projekts habe ich gemeinsam mit den Schülern leere Plastikwasserflaschen mit Plastikabfall befüllt. Mithilfe dieser Flaschen haben wir Möbel, wie z.B. ein Bett, einen Tisch oder ein Regal gebaut. Der Hintergrund davon war, den Schülern ein Umweltbewusstsein zu vermitteln, denn in Indonesien sind die Straßen sowie Strände stark mit Plastikabfall verschmutzt. Bei den Menschen ist in keinster Weise ein Umweltbewusstsein vorhanden. Deshalb habe ich versucht, dieses den Kleinen der Gesellschaft zu vermitteln und ihnen einen Einblick zu geben, wie wir das in Deutschland handhaben. In anderen Projekten wurde zum Beispiel das kreative und unternehmerische Denken gefördert. Beispielsweise sollten die Schüler jeweils ein eigenes Produkt kreieren und dieses an andere Schüler und Lehrer verkaufen. Hierbei waren sie sehr kreativ und steckten viel Liebe ins Detail. Sogar Aufkleber und Karten haben sie drucken lassen und Werbung für ihr Produkt auf Instagram und anderen Social Media Plattformen gemacht.
Auf dem Bild könnt ihr eine meiner 10. Klassen sehen.
Insgesamt unterrichtete ich elf Klassen von der zehnten bis zur zwölften Jahrgangsstufe. In den ersten Stunden stellte ich mich zunächst vor und gab den Schülern Einblicke in mein Leben. In Indonesien sind die Menschen sehr herzlich und familiär. Bevor man mit ihnen arbeiten kann, muss ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut sein. Nach einer kurzen Kennenlernphase wurden die Schüler immer offener und neugieriger. Sie wollten einfach alles über mich wissen. Das zentrale Ziel meiner Lehrtätigkeit war, den Schülern, die kurz vor der Universität standen, die Angst zu nehmen, Englisch zu sprechen. Denn oftmals hatten sie die Befürchtung, dass man sie nicht verstehen konnte. Außerdem hatte ich eine Motivatorenrolle, indem ich ihnen einen Eindruck von meinen Auslandsaufenthalten gegeben habe, so dass sich die eine oder der andere auch den Schritt aus dem Elternhaus zutraut. Denn die Indonesier sind sehr ängstlich und besorgt. Die ganze Familie wohnt unter einem Dach und bei jedem Verlassen des Hauses bekam man den Spruch „Take Care“ zum Abschied mit. Das Wohlbefinden steht überall an oberster Stelle, sei es bei den Schülern als auch bei den Kollegen, es ist ein gemeinsames Miteinander bei dem man sich gegenseitig unterstützt und nicht Unerreichbares voneinander fordert.
So viel Liebe und Menschlichkeit wird einem in Deutschland selten entgegen gebracht, denn wir sind eine Leistungsgesellschaft, in der Disziplin und Erfolg eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Dies wird hier in Indonesien nicht groß geschrieben. Das spiegelt sich in vielen Bereichen im Alltag wieder, z. B. dass es mit der zeitlichen Genauigkeit nicht allzu ernst genommen wird oder auch bei einer notwendigen Reperatur wird nur das Allernötigste gemacht. Auch der Sicherheitsgedanke ist nicht so verankert wie in Deutschland. Kaum jemand hat eine Krankenversicherung, und auf dem Moped sitzt teilweise die ganze Familie und das Kind steht noch hinten mit drauf. Jedoch ist der Mittelpunkt des täglichen Geschehens immer der muslimische Glaube. Bevor ich hierher gekommen bin, war meine Meinung darüber größtenteils negativ behaftet. Neben meinem täglichen Weckservice konnte ich dem Ganzen doch was abgewinnen. Denn bei jedem Gebet gehen die Leute in sich und reflektieren den Tag und das Verhalten gegenüber anderen. Außerdem danken sie ihrem Gott für die kleinen Dinge im Leben. In dieser Zeit habe ich auch viel über mein Verhalten, den Stellenwert der Familie und die vielen schönen Kleinigkeiten im Leben nachgedacht, was in unserem Alltag oftmals viel zu kurz kommt. Dieses schneller, weiter, besser Denken ist hier nicht so ausgeprägt. Stattdessen geht die Familie über alles. Die Großeltern passen auf die Kinder von der ganzen Familie auf und überall sieht man Kinder in den Wohngebieten umherlaufen.
Die späten Nachmittage und Abende habe ich gerne mit anderen „Global Volunteers“ von AIESEC verbracht. Sei es, um gemeinsam einkaufen zu gehen, sich in einem Kaffee oder Restaurant zu treffen oder die Stadt zu erkundschaften. Außerdem wurde ich zahlreiche Male zu den Familien anderer Lehrer eingeladen. Dabei war immer die ganze Familie zusammen gekommen und alle waren ganz gespannt mich kennenzulernen. Auch wenn es teilweise etwas Verständigungsprobleme mit den älteren Familienmitgliedern gab, konnte ich die Freunde und Begeisterung nie übersehen. Besonders mit einer Lehrerin, Amelia, habe ich viel unternommen. Wir sind gemeinsam shoppen gegangen, waren in den schönsten Parks, im Zoo und haben in der Nacht die Lichtershow an der „National Bridge“ angeschaut.
In Indonesien gibt es zahlreiche und sehr unterschiedliche traditionelle Kleidung. Die meist verbreitete ist jedoch das „Batik“. Aus den Stoffen kann man sich idividuell Röcke, Kleider, Blazer und Oberteile schneidern lassen. Auf dem Bild trage ich eine edlere Variante, die man zu besonderen Anlässen wie einer Hochzeit trägt.
In meiner letzten Woche war ich viel an anderen Schulen, Kindergärten und sogar an einer Universität, um mich vorzustellen und gemeinsam den internationalen Gedanken zu verbreiten und zu leben.
Nach sechs gemeinsamen Wochen war nun die Zeit in Indonesien für mich vorbei. Ich sammelte so viele Eindrücke, lernte zahlreiche Leute kennen und bereiste die schönsten Orte von Indonesien. Natürlich waren die Strände in Lombok wunderschön und die Wasserfälle faszinierend. Was jedoch wirklich für immer in deinem Kopf bleibt, sind die ganzen Begegnungen. Ich werde nie vergessen, wie aufgeregt ich war vor knapp 300 Schüler spontan eine Rede zu halten. Noch viel weniger werde ich jedoch meine Abschiedszeremonie vergessen. In der schuleigenen Moschee bereiteten sie meine Verabschiedung vor. Als ich eintrat, war ich zunächst von dem riesigen Banner fasziniert. Danach folgten zahlreiche und emotionale Ansprachen, Schüler sangen für mich, es wurde für mich gebetet und sogar ein kleiner Film wurde extra für mich produziert. Als der Aufenthalt dem Ende zuging, war ich erstaunt, wie sehr mir meine Kollegen und Schüler in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen waren, und als bei meiner Abschlussrede einige Lehrerkollegen und sogar Schüler in Tränen ausbrachen, konnte auch ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich werde diese Zeit bestimmt nicht mehr so schnell vergessen und werde mich hoffentlich auch in der ein oder anderen stressigen Zeit in Deutschland an die Gelassenheit und Herzlichkeit zurückerinnern.
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