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Beiträge unserer „Zugvögel“

Mehr aus Jordanien

Die Forschung geht langsam voran

Mittlerweile sind 2 Monate vergangen, seit ich in Jordanien angekommen bin. Insgesamt waren diese letzten Wochen äußerst ereignisreich, relativ produktiv und vor allem chaotisch.

Das PV-Testgelände im Jordan Valley - vorne der Testaufbau, im Hintergrund die PV-Systeme welche eine Biogasanlage bzw. die Wasseraufbereitungsanlage betreiben

Fangen wir mit dem eigentlich Wichtigsten an, dem eigentlichen Grund für mein Auslandssemester, der Bachelorarbeit: Tief unten im Jordangraben, 350 m unter dem Meeresspiegel, inmitten von Bananen- und Dattelplantagen stehen mehrere Photovoltaikanlagen. Eine davon betreibt eine Pumpe samt Wasserentsalzungsanlage (Umkehrosmose), welche das geförderte salzige Grundwasser auf Trinkqualität bringt. Das dortige Grundwasser, nur wenige Kilometer von einem der salzigsten Gewässer der Erde – dem Toten Meer – entfernt, wird nach der Aufbereitung zur Bewässerung der umliegenden Farmen benutzt. Momentan läuft parallel dazu noch eine kleine Testanlage, wo die Auswirkung eines simplen Kühlsystems auf die Performance eines PV-Moduls untersucht wird. Mit diesen Testergebnissen sowie den Messergebnissen eines vergangenen Testaufbaus und einer Simulation möchte ich ein Scale-Up für ein Kühlsystem für die große PV-Anlage berechnen, die die Entsalzungseinheit betreibt.

Insgesamt ein sehr interessantes, praktisches und auch sinnvolles Projekt, welches jedoch nicht so simpel ist wie anfangs gedacht. Der Arbeitsaufwand ist relativ groß, mein Supervisor und sein Assistent sind teilweise schwierig zu erreichen oder manchmal auch etwas überfragt. Die Messdaten sind oft widersprüchlich oder schwierig zuzuordnen. Zudem wurden die Anlagen ohne Dokumentation ab und zu umgebaut, was natürlich die Ergebnisse erheblich beeinflusst. Kurz gesagt, das Projekt geht langsam und mühsam, aber stetig voran.

Campusleben

Allgemein sind sich viele der Austauschstudenten hier (die meisten davon sind natürlich Deutsche - es ist ja schließlich die German-Jordanian-University) einig, dass sich die Uni von europäischen Hochschulen sehr unterscheidet. Trotzdem genießt die GJU einen sehr guten Ruf im arabischen Raum, viele Studenten kommen aus den umliegenden Ländern, um hier zu studieren. Aufgrund der hohen Studiengebühren (relativ gering für deutsche Austauschstudenten und meine wurden dann auch noch vom OTH International Office übernommen – danke nochmal dafür!) studiert hier nur die soziale Oberschicht. Da diese Studenten aus der wirtschaftlichen Elite entstammen und daher eher liberal und „westlich“ erzogen wurden, herrscht auf dem Campus ein recht westliches Klima. Die Kopftuch-Dichte ist vergleichsweise gering, der vorherrschende Kleidungsstil modern und die Atmosphäre international, gepaart mit der offenen und herzlichen Umgangsart der arabischen Welt. Es ist sehr einfach, Bekanntschaften auf dem Campus zu machen und neue Freunde zu finden, selbst wenn man - wie ich - eigentlich kaum Vorlesungen oder Kurse hat.

Die Vorlesungssprache ist Englisch, wobei je nach Dozent die sprachlichen Fähigkeiten stark variieren. Alle jordanischen Studenten sind zu deutschen Sprachkursen sowie jeweils einem Studien- und einem Praxissemester in Deutschland verpflichtet. Die unterschiedlichen sprachlichen Fertigkeiten der Studenten sind verblüffend: Während manche besseres Deutsch sprechen als so mancher Deutscher, muss man sich bei anderen wundern, wie sie den englischsprachigen Vorlesungen folgen können…

Meine Arabisch-Fertigkeiten hingegen stagnieren, was vor allem mangelnder Motivation geschuldet ist. Arabisch zu lernen erfordert weit mehr Einsatz als das Erlernen einer europäischen Sprache. Das arabische Alphabet mit all seinen Eigenheiten, der Mangel an Worten, die man sich aus anderen Sprachen herleiten kann, sowie die vielen Dialekte und Varianten machen einem das Lernen sehr schwer. Da ich nach meinen knapp 4 Monaten Auslandsaufenthalt nicht vorhabe, länger in arabischsprachigen Staaten zu leben und mein Sprachkurs von bescheidener Qualität ist, hält sich auch meine Motivation zum zeitaufwändigen Lernen in Grenzen. Im Alltag kann man sich normalerweise mit Basic-Englisch und minimalem Arabisch sowie mit Händen und Füßen irgendwie verständigen. Beispielsweise in meinem Lieblings-„Restaurant“ um die Ecke, welches von Ägyptern (Ägypter sind hier meist Niedriglohnarbeiter) geführt wird, spricht niemand Englisch, ich weiß vorher nie was ich bekomme, aber es schmeckt jedes Mal!

Das Essen

Guter Übergang zum tatsächlich Wichtigsten: dem Essen. Allgemein ist das Essen hier gehaltvoller und Fleisch-lastiger als gedacht, meist sehr stark gewürzt und es wird fast immer irgendwie mit Brot (Chubbs) oder Reis serviert. Die wichtigsten Gerichte sind Mansaf (Reis mit Jogurt/Milchsauce und Lammfleisch, wobei man mit der Hand Reis-Fleisch-Kugeln formt und diese im Ganzen isst), der allgegenwärtige Kebab (nicht wie unser europäischer Döner/Kebab, sondern auf kleinen waagrecht gegrillten Spießen gegrilltes Lamm, Schaf oder Huhn in Stückchen oder als Hack), Shawerma (ähnelt unserem Döner/Dürüm), Falafel (meist in einem Sandwich serviert) oder der allgegenwärtige Humus (Paste aus Kichererbsen). Dazu gereicht wird traditionell stark gesüßter Tee. Die Highlights sind aber die Süßspeisen und Desserts: Kanafeh, Baklava, Halawet al jibn und wie sie alle heißen, in den zahlreichen Dessertläden findet sich nichts Süßes, das nicht schmeckt. Die besondere Lage Jordaniens inmitten des Nahen Ostens sowie die seit jeher großen Flüchtlingszuströme führten zu einer sehr vielfältigen Küche, die die Gerichte aus allen Ländern der Region übernommen hat.

Petra und Wadi Rum

Im April war ich viel unterwegs. Die für Touristen und International Students fast schon obligatorische Tour in die Felsenstadt Petra und Wadi Rum beispielsweise. Petra, die wohl bekannteste Attraktion Jordaniens, war eher etwas enttäuschend. Man bezahlt sehr hohe Eintrittspreise (Tagesticket kostet 50 Dinar für ausländische Touristen, umgerechnet über 60 Euro), um dann den ganzen Tag von Straßenhändlern innerhalb Petras belästigt und bedrängt zu werden. Zudem muss man sich ansehen wie die Einheimischen ihre Esel, Pferde und Kamele, welche als Lasttiere gegen ein Trinkgeld Touristen durch die sengende Hitze tragen, ständig schlagen. Petra ist mit Sicherheit weltweit einzigartig und hat durchaus seinen Reiz, wird meiner bescheidenen Meinung nach aber dem Hype nicht gerecht. Wadi Rum hingegen hat mich mehr als überzeugt. In diesem weitläufigen Wüstengebiet im Süden Jordaniens bilden beeindruckende Felsenberge inmitten von Sand in eine Art riesigen Outdoor-Spielplatz. Hier gibt es seltsamste Felsformationen, Schluchten und Felswände aus Sandstein, welche man auf eigene Faust beklettern und erkunden kann. Dabei wird man auf der offenen Ladefläche eines Pick-Up Trucks von Attraktion zu Attraktion gefahren und bekommt von Beduinen Tee in ihren Zelten serviert. Am Abend genießt man noch den Sonnenuntergang inmitten der Wüste, den ungetrübten Sternenhimmel bei Nacht und ein traditionelles Gericht am Lagerfeuer, bevor man sich in eines der zahlreichen Beduinenzelte zum Schlafen legt. Zwar wird Wadi Rum von Touristen aus aller Welt besucht, aber Dank des weitläufigen Gebietes und der vielen Möglichkeiten zum Wandern, Klettern und Erkunden verteilen sich die Menschenmassen einigermaßen. Dort gefiel es mir so gut, dass ich die Woche darauf gleich noch einmal hingefahren bin, um mit 3 anderen Incoming Students am Full Moon Dessert Marathon teilzunehmen. Zugegeben, während sich die ambitionierteren Läufer auf die nächtlichen 42km durch unwirtliches und schwieriges Wüstengelände vorbereitet haben, saßen wir mit Tee und Keksen am Lagerfeuer vor einem Beduinenzelt. Für uns sollte es beim 5km Walk durch das vom Vollmond ausgeleuchtete Wadi Rum bleiben. Der aufgezogene starke Wind schuf dabei jedoch Sandsturm-ähnliche Bedingungen, und so war es dann doch wenigstens eine kleine Herausforderung.

Abseits von Touristenpfaden

Unter anderem unternahm ich noch Wanderungen in Schluchten am Toten Meer, welche teilweise Szenen wie aus kitschigen Filmen oder Werbespots boten. Zudem machte ich mich mit zwei Deutschen auf eine Wanderung vom Biosphärenreservat Dana nach Little Petra. Es ging durch ein unberührtes Tal hinunter in den südlichen Fortsatz des Jordangrabens, wo wüstenähnliche Bedingungen herrschen. Trotz guter Vorbereitungen und genügend Erfahrung im Outdoor-Bereich war diese Tour recht schwierig. Die sengende Hitze, stechende Sonne, nichtexistierenden Pfade, fehlerhafte GPS-Koordinaten und vor allem die wenigen Stützpunkte und Wasserstellen verlangten uns einiges ab. Nachdem wir am Abend erschöpft an einen Bach gelangt waren, konnten wir uns dann überglücklich in einem natürlichen Pool über einem Wasserfall abkühlen. Nach der zweiten Nacht im Zelt erreichten wir nach über zwei Tagen Einsamkeit recht erschöpft unser Ziel Little Petra, wenige Kilometer vom Touristenhotspot Petra entfernt. Diese Tour zeigte wieder einmal: Je weiter man sich von den typischen Touristenpfaden entfernt, desto schöner und wilder wird Jordanien, desto gastfreundlicher und netter werden die Jordanier.

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