Benötigen wir neue Supportstrukturen für neue Zielgruppen? - Teil 1
Benötigen wir neue Supportstrukturen für neue Zielgruppen
Hochschulen stehen aufgrund der Öffnung für neue Zielgruppen (folgend exemplarisch vor allem für die neue Zielgruppe der beruflich Qualifizierten) vor grundlegenden Herausforderungen. Diese reichen von einer angemessenen und innovativen Zielgruppenansprache bis hin zu zielgruppenspezifischen Unterstützungs- und Beratungsstrukturen unter Berücksichtigung von Gender- und Diversity-Aspekten. Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen: Wo kann angefangen werden? Wie kann die work-life-education-balance der neuen Zielgruppe im Gleichgewicht gehalten werden? Welche Supportstrukturen sind notwendig? Und sind überhaupt neue Supportstrukturen notwendig?
Im Kontext des Lebenslangen Lernens werden im Rahmen unseres Projekts OTHmind #aufstieggestalten zielgruppenspezifische Bildungsangebote für beruflich Qualifizierte, Studienabbrecher*innen und IT-Fachkräfte entwickelt. Für die zielgruppenadäquate und bedarfsorientierte Angebotskonzipierung wurden Zielgruppen- und Unternehmensbefragungen durchgeführt.
Wie sollen wir anfangen?
Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung wurden zunächst die Bedarfe für die Entwicklung spezifischer Beratungs- und Betreuungsstrukturen identifiziert. Die Ergebnisse waren eindeutig: Sowohl Frauen als auch Männer wünschen sich Beratung zu finanzieller Förderung, beruflichen Perspektiven und Karriereplanung, Zeitmanagement und Weiterbildung mit Kind. Beide Geschlechter empfinden persönliche, web- und E-mailbasierte Beratung sowie feste Ansprechpartner*innen und Lernberatung als hilfreich. Diese Bedarfe mögen sich von denen traditionell Studierender unterscheiden und spiegeln somit die Notwendigkeit für spezifische Angebote wider.
Es ist also möglich rückzuschließen, dass die erhobenen Bedarfe die work-life-education-balance beruflich Qualifizierter beeinflussen und deren Heterogenität eine zeitliche und inhaltliche Anpassung der (bestehenden) Serviceleistungen erfordert. Zudem wissen wir, dass Informations-, Beratungs- und Betreuungsangebote den Weiterbildungszugang, -verlauf und -abschluss beeinflussen und zu einer erfolgreichen Teilnahme beitragen.
Was können wir mit diesen Ergebnissen nun machen?
Aufgrund der Ergebnisse konnten wir eine Angebotsstruktur in Anlehnung an das Modell des Student-Life-Circle entwickeln.
Der Kreislauf beginnt zunächst mit dem Bekanntwerden der Angebote, „raising aspirations“, um somit das Weiterbildungsinteresse der neuen Zielgruppe zu wecken. Online-Informationsbroschüren und weitere Informationsangebote sind v.a. für die darauffolgenden Phasen bzgl. Vorbereitung und Einstieg in ein Weiterbildungsangebot bzw. Studium wichtig. Jeder einzelne Baustein des Modells beinhaltet unterschiedliche Supportangebote, welche speziell auf die Zielgruppe und deren Bedarfe ausgerichtet sind.
Wie kann das in der Praxis aussehen?
Die Phasen „moving through“ und „student success“ sollen am Beispiel des im Projekt entwickelten Moduls Studienkompetenz im Rahmen des BeVorStudiums veranschaulicht werden: um beruflich Qualifizierte nicht nur inhaltlich, sondern auch übergreifend auf MINT-Studiengänge vorzubereiten, wird begleitend neben Mathematikvorbereitungsmodulen das Modul Studienkompetenz angeboten. Dieses Modul soll vor allem Kompetenzen beim Wissenserwerb im Studium vermitteln und folgende Fragen klären: Was erwartet mich im Studium? Wie lerne ich wieder lernen? Wie kann ich mich besser konzentrieren und motivieren? Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? Fragen, die sich vorwiegend um die Thematiken Studienorganisation sowie Komponenten des Lern- und Wissensmanagements drehen. Im Modul Studienkompetenz versuchen wir mit unterschiedlichen Formaten diese Fragen und Herausforderungen vor Studienbeginn zu klären.
Das Modul Studienkompetenz erstreckt sich als Blended-Learning-Format über einen Zeitraum von etwa vier Monaten. Der Auftakt und der Abschluss des Moduls finden als Präsenztermine statt. Zwischen diesen beiden Terminen verläuft eine selbstverantwortliche E-Learning-Phase. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung werden neben Workshops zu den Thematiken wissenschaftliches Arbeiten und Finanzierungsmöglichkeiten im Studium erste Kompetenzen zu Lernstrategien mit Hilfe eines Lerntagebuches, welches über die selbstverantwortliche Lernphase geführt werden kann, vermittelt. In dem begleitenden Onlinekurs werden unterschiedlichste Materialien und Informationen zum Selbstlernen angeboten, welche wiederum beim Abschlusstermin reflektiert werden.
Und jetzt?
Alles in allem lässt sich nun festhalten, dass sich die Bedarfe der neuen Zielgruppe von den Bedarfen traditionell Studierender unterscheiden. Das betrifft vor allem die Phase des Hochschuleinstieges, in der gezielte Supportangebote von Vorteil sein können. Aus der Erfahrung bleibt zudem zu berücksichtigen, dass die neue Zielgruppe jedoch nicht unbedingt eine Sonderbehandlung wünscht.
Literatur
Schulmeister, R. (2007). Der „Student Lifecycle” als Organisationsprinzip für E-Learning. In R. Keil, M. Kerres & R. Schulmeister (Hrsg.). eUniversity – Update Bologna (S. 45-77). Münster: Waxmann.
Der Artikel wurde bereits in ähnlicher Form erstveröffentlicht.