Blogreihe "Engagiert an der OTH Amberg-Weiden": „Letztendlich machen sie es für sich und nicht für mich“ – Tutorium: Julian Bauer im Interview
In der Schule ist es üblich in schwierigen Fächern Nachhilfe zu nehmen und auch im Studium bekommen Studierende Hilfe mit dem Vorlesungsstoff. Hier heißt das Angebot Tutorium und wird in der Regel von Mitstudent*innen angeboten. Das verlangt von den Tutor*innen nicht nur viel Wissen ab, sondern auch Zeit, Engagement und Fertigkeiten als Lehrende. Julian Bauer gibt seit vielen Jahren Tutorien an der OTH Amberg-Weiden. Im Interview berichtet er von seiner Motivation und den Herausforderungen, vor die ihn diese Arbeit stellt.
Was würdest du sagen: Was kannst du in einem Tutorium besser vermitteln als Professor*innen in der Vorlesung oder im Seminar?
Bauer: Ich will den Leuten in dem Sinne nichts Neues beibringen. Ich will sie unterstützen damit sie das, was sie in der Schule oder in der Vorlesung gelernt haben, mal anwenden können. Dass sie die Möglichkeit haben im Rahmen dieses Tutoriums auch mal Aufgaben zu rechnen, das was sie theoretisch gehört haben, noch einmal praktisch runter brechen. Und vor allem, was auch ganz wichtig ist: Im Rahmen solcher Aufgaben trotzdem einen anderen Blickwinkel auf die Sache zu geben und zu sagen: passt auf, ich würde das so und so machen, das wäre so ein bestimmtes Lösungskonzept, wie ihr das machen könntet. Also praktisch und nicht nur dieses „trockene“ Beibringen von Stoff und Aufgaben.
Bauer absolvierte zunächst einen Bachelor in Maschinenbau an der OTH Amberg-Weiden und ist aktuell im zweiten Semester des Masters Innovationsfokussierter Maschinenbau an der OTH Amberg-Weiden eingeschrieben. Nebenher arbeitet er im Marketingbereich bei einer Firma in der Region.
Wie bist du darauf gekommen Tutor zu werden?
Bauer: Im Bachelor bin ich eigentlich so das erste Mal auf die Möglichkeit als Tutor zu arbeiten gestoßen. Ich habe davon am schwarzen Brett erfahren und habe mir gedacht es ist vielleicht eine coole Sache um auch selber Soft Skills, was Lehre und Umgang mit Menschen angeht, zu verbessern. Und dann habe ich mir gedacht, probierst du das einfach mal aus und es hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Fachlich war ich zum Glück immer recht gut mit dabei, aufgrund meines Studiums oder Vorwissens. Und das war auf jeden Fall mal eine super Möglichkeit sich auszuprobieren und zu sehen, ob ich den Leuten etwas beibringen kann und mit ihnen auf eine gute Art und Weise interagieren kann. So bin ich da eigentlich drauf gestoßen.
Welche Tutorien gibst du?
Bauer: Zuerst habe ich Physik gegeben. Das war für den Studiengang Patentingenieurwesen. Und dann habe ich diese Vorbereitungskurse für das Matheabitur mitgemacht.
Und das machst du jetzt auch noch?
Bauer: Also zurzeit ist es schwierig wegen Corona. Es soll jetzt dann im Frühjahr, wenn es wieder Richtung Abitur geht, eventuell noch einmal eine Neuauflage geben. Ob das stattfinden wird, wissen wir natürlich noch nicht. Ich habe mich auf jeden Fall schon bereit erklärt, dass ich es machen würde.
Würdest du es dann auch Online machen?
Bauer: Das haben wir diskutiert. Ich sage ehrlich, dass ich, wenn es online stattfindet, es auf jeden Fall nicht anbiete, weil ich da keinen Mehrwert drin sehe. Erstens einmal finde ich, merkt man es auch schon bei den Online-Vorlesungen, dass einfach die Aufmerksamkeit nicht so da ist. Zum anderen will ich ihnen nichts beibringen, sondern die sollen im Rahmen von dem Tutorium sich selber was erarbeiten, selber Aufgaben rechnen. Das ist natürlich online sehr, sehr schwierig. Denn wenn irgendwelche Fragen sind, kann ich nicht einsehen, was sie gerade am Blatt Papier stehen haben. Dann ist es auch oft so, dass die Interaktion darunter leidet. Man weiß das selber: Viele beteiligen sich nicht so an der Online-Vorlesung.
Welches Feedback bekommst du zu deinen Tutorien?
Bauer: Also ich muss ehrlich sagen, es kommen schon immer sehr viele. Es wird schon dankend angenommen, weil blöd gesagt: sie kommen sowieso nicht drum rum. Sie müssen die Prüfung oder das Abitur schreiben und wenn du dann mal die Möglichkeit hast dich vier Stunden hinzusetzen und da ist jemand da, der dir bei eventuellen Fragen helfen kann, warum nicht? Du musst es sowieso durchrechnen, du musst es ja sowieso können. Das ist ja nicht so ein Zusatzangebot, wo ich sage, wäre schön wenn du das Matheabitur bestehen würdest oder wäre schön wenn du die Physikprüfung absolvieren würdest, sondern das ist ja eigentlich ein Muss und deswegen wird es eigentlich schon sehr gut angenommen, muss ich sagen.
Und was bringen die Tutorien dir selber?
Bauer: Ich muss dazusagen, bei mir hat sich jetzt ein bisschen was getan beruflich: Ich arbeite jetzt in einer neuen Abteilung, im Sales and Marketing und da ist es so, dass Redegewandtheit oder allgemein Interaktion mit Kunden oder Sonstiges, Grundvoraussetzung ist. Wenn man dann einen Vortrag halten oder mit einer größeren Anzahl an Menschen kommunizieren und was erarbeiten muss, kann man sich das schon immer wieder ins Gedächtnis rufen und sagen: naja, du kannst das ja eigentlich. Du hast ja die gleiche Situation oder eine so ähnliche Situation schon öfters einmal gehabt und gut gemeistert.
Außerdem mache es ihm Spaß sein Wissen mit Anderen zu teilen, Gedanken austauschen und den Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Bauer meint eine Kompetenz, die man als Tutor lerne, ist es eine Wohlfühlblase zu schaffen, in der das Lernen Spaß macht und hilft die geforderten Studienleistungen zu bringen.
Bauer: Das wäre eher so der Gedanke, der mich immer schon gereizt hat und deshalb würde ich auf jeden Fall schon sagen, dass es mir was gebracht hat. Und ich muss aber auch sagen, es kommt ganz auf das Publikum drauf an. Bei den Studierenden ist es natürlich eine ganz andere Aura als wenn du bei Schüler*innen oder so sprichst oder mit denen ein Tutorium machst – die sind das von der Schule noch anders gewöhnt. Ich bin eher so im Studierenden-Stil unterwegs, eher so ein bisschen locker. Die können bei mir auch mit dem Handy rum spielen, was essen, rausgehen oder einen Kaffee holen. Letztendlich machen sie es für sich und nicht für mich. Es ist schön den Leuten auch mal einen bisschen anderen Blick zu geben und einzubläuen: passt auf, ihr seid jetzt in einem solchen Stadium, da seid ihr selber verantwortlich für euer Handeln und Tun.
Und was sind so die größten Herausforderungen und Probleme bei einem Tutorium?
Bauer: Also Probleme gibt es jetzt nicht konkret, aber manchmal kommt es natürlich auch vor, dass ich Sachen gefragt werde, wo ich selber jetzt auch keinen Peil habe. Dann ist es ein bisschen nervig, sage ich mal, weil ich muss mir die Sachen dann auch kurz erarbeiten und in der Zeit ist natürlich ein bisschen Leerlauf. Ist zwar schade, aber lässt sich nicht vermeiden – ich bin nicht allwissend.
Ansonsten sei es noch eine große Herausforderung die Balance zwischen den unterschiedlichen Wissensständen der Schüler*innen und Student*innen zu finden. Bauer hat sowohl Lernstärkere als auch Lernschwächere in seinen Tutorien und will auf alle gleichermaßen eingehen. Das könne ziemlich herausfordernd sein.
Das heißt du lernst bei deinen Tutorien auch Soft Skills und viel über den Umgang mit Menschen?
Bauer: Ja, du merkst, dass die Art und Weise wie du jemanden etwas beibringst elementar ist. Das habe ich auf jeden Fall mitgenommen. Wie man seinem Gegenüber nachhaltig im Gedächtnis bleibend das vermittelt, was ihn eigentlich weiterbringt. Wie man mal von Anschauungsmaterial oder Basics ausgehend, Sachen erklärt.
Die Tutorien nehmen dabei viel Zeit in Anspruch. Bauer muss nicht nur mehrere Stunden in der Woche für das Tutorium selbst aufwenden, sondern auch für die Vor- und Nachbereitungszeit, sowie die Anfahrt. Für den Mathevorbereitungskurs etwa, der als Blockveranstaltung an drei Samstagen angeboten wird, schätzt Bauer eine Arbeitszeit von sechszehn Stunden. Trotzdem würde er seinen Mitstudent*innen empfehlen sich als Tutor*innen zu versuchen. Er habe die Beobachtung gemacht, dass viele Kommiliton*innen Angst haben Vorträge zu halten oder vor einer größeren Menge zu sprechen. Das Tutorium biete die perfekte Möglichkeit seine Scheu abzubauen und sich weiterzuentwickeln. Und dass bevor man im Beruf einen Vortrag halten muss. Wer Lust hat sich selbst einmal als Tutor*in zu versuchen, meldet sich am besten bei der Hochschule oder dem/der Professor*innen des Fachs.
Bauer hat aus seiner Tutor-Arbeit auf jeden Fall viel mitgenommen und kann sich auch vorstellen nach seinem Studium weiter als Lehrender zu arbeiten – aber das wird sich erst noch zeige, sagt er.