Datenanalyse rettet Leben
Kaminabend: Digitalisierung in der Medizin
Daten sind heute für die Wirtschaft so bedeutend wie Öl. Aus Daten gewinnt man Informationen, aus Informationen Wissen – und Wissen bedeutet bekanntermaßen Macht und Geld. „Die Frage ist nur: Wie können wir alle davon profitieren?“, so Prof. Dr. Steffen Hamm. Am 11. Kaminabend Medizintechnik im Hörsaalgebäude der OTH in Weiden sollten darauf erste Antworten gefunden werden. Die IT-Herausforderungen, die beim sektorübergreifenden Patientenmanagement bewältigt werden müssen, sind auf jeden Fall enorm.
Andreas Dobler, Geschäftsführer der Telepaxx Medical Archiving GmbH, kritisierte in seinem Statement den Umgang mit den enormen Datenmengen, die tagtäglich bei 154.000 niedergelassenen Ärzten und 1.942 Kliniken anfallen. Dies beginne damit, dass PatientInnen bei jeder Anlaufstelle des Gesundheitssystems unter anderen Identifikationsnummern geführt würden. Die Patientendaten würden zudem in verschiedensten Formaten gespeichert – teilweise so, dass sie nicht von jeder Hardware genützt werden können. Sichere Übertragungswege bestünden kaum. Dobler warb für eine interoperable Herangehensweise. Vermutlich würden Patientendaten auch künftig an mehr als einer Stelle gespeichert. Daher sollten zumindest Format-Standards festgelegt werden. Die PatientInnen entschieden, ob und in welchem Umfang sie ÄrztInnen und Kassen Zugriff auf ihre Daten gewährten.
Das relevante Daten heute nicht zum nötigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zur Verfügung stehen, führt zu erheblichen Gefährdungen. Dr. Josef Scheiber, Geschäftsführer der BioVariance GmbH, zeigte auf, was dies allein beim Verschreiben und Einnehmen von Medikamenten bedeute: 30.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland, weil sie falsche Medikamente einnehmen, beinahe doppelt so viele werden Opfer unerwünschter Wechselwirkungen. Datenanalyse könne bei der richtigen Medikamentengabe helfen und Leben retten. Scheiber zeigte auf, dass letztlich PatientInnen, Kassen, ÄrztInnen und Krankenhäuser profitieren würden. Wie fundierte Daten heute schon dazu beitragen, Krankheiten besser zu verstehen und stärker fokussierte Medikamente zu entwickeln, erläuterte Scheiber am Beispiel der Krebsbehandlung. Er hoffe, dass auch die deutschen PatientInnen künftig mehr Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung stellten.
Der Autor und Blogger Jörg Schiemann nahm sich des Themas aus der Perspektive der PatientInnen an. APPs unterstützten bei Medikamenten und Abrechnungen. Allerdings behinderten das schlechte Datenmanagement und der mangelhafte Austausch erheblich. eRezepte, also elektronische Rezepte, die zentral abgerufen werden und von ÄrztInnen, Apotheken und Kassen bearbeitet werden können, wären beispielsweise hilfreich. Insgesamt handele es sich aber weniger um IT-Fragen, als vielmehr um organisatorische Probleme. Letztlich fehle schlicht der politische Wille, etwas zu ändern – beispielsweise an der Trennung der Sektoren. „Die Patienten stehen zu wenig im Mittelpunkt der Überlegungen und sie werden zu wenig die die Entwicklung eingebunden“, beklagte Schiemann.
Prof. Dr. Clemens Bulitta mahnte daher, die PatientInnen müssten die PolitikerInnen nachdrücklicher dazu auffordern, Antworten zu finden. Sie sollten sich aber auch grundsätzlicher mit der eigenen Gesundheit und dem eigenen Körper beschäftigen. Zu viele seien „gesundheitliche Analphabeten“, so Bulitta. Mangelndes Interesse an den Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen führe dazu, dass sich die Menschen zu stark verunsichern ließen, was ihre Daten angehe. Ja, es gäbe Fälle von Datenmissbrauch. „Mehr Menschen kommen aber zu Schaden, weil Daten nicht zur Verfügung stehen“, sagte der Leiter des Instituts für Medizintechnik.
Wie die Digitalisierung, wie aufbereitete Daten ÄrztInnen in der täglichen Arbeit helfen, stellte Prof. Dr. Anton Scharl, Leitender Chefarzt der Frauenklinik Amberg-Tirschenreuth-Weiden, dar. Die einzelnen Tools funktionierten gut, es hapere jedoch an der Verlinkung. Dabei böten sich gerade in der Vorsorge große Chancen. Doch wie sollen die Kosten der Digitalisierung verteilt werden? Aus Sicht Dr. Thomas Eggingers, des Ärztlichen Direktors der Kliniken Nordoberpfalz AG, sei klar: „Wir brauchen Geld.“ Neue Software erfordere oftmals neue Hardware, diese Kosten würden den Kliniken heute nicht erstattet. Sein Haus arbeite an digitalen Strategien. Als erstes werde man die Schnittstelle zum Rettungsdienst herstellen, der bereits weitgehend digitalisiert sei. Dann könnten dort aufgenommene Daten gleich im Klinikbetrieb genutzt werden.