Kindlich Umdenken lernen
„Bildung passiert mit Dialog“, sagt Brigitte Netta, als sie erklärt, was ihren Kindergarten in Amberg besonders macht. Er heißt DigiMINTKids – und der Name ist Programm. Mit Schwerpunkt auf MINT-Themen dürfen Kinder hier ausprobieren, forschen, experimentieren und Fragen stellen so viel sie wollen. Unterstützt werden sie dabei neben ihren Kindergärtnerinnen auch von Ehrenamtlichen, Firmen und der OTH Amberg-Weiden. Netta erklärt es gehe um Chancengleichheit, frühstmögliche Partizipation in der Bildung und lebenslanges Lernen.
„Einmal hatten die Kinder einen Pömpel im Kindergarten entdeckt und gefragt: wozu braucht man das“, erzählt Brigitte Netta, Leiterin des Kindergartens DigiMINTKids. „Wir haben gesagt: Probiert es aus! Dann haben die Kinder angefangen zu experimentieren. Zum Beispiel haben sie herausgefunden, dass der Pömpel an der Wand haftet, aber auf dem Teppich nicht. Dann haben sie Hypothesen aufgestellt. Sie habe ihre Ideen und Fragen gesammelt und eine Email an die OTH geschickt. Von dort kam Rückmeldung und so entsteht eine Kooperation.“
Es gibt nur das Kind
Die Kindergärtnerin betont, wie sehr die Kinder davon profitieren schon im jungen Alter ans Lernen, Hinterfragen und Theorien aufstellen herangeführt werden. Das hilft ihnen schon sehr früh herauszufinden, was sie in ihrem Leben machen wollen. Zwar liegt der Fokus auf MINT – im Kindergarten gibt es viele Materialien, die zum mathematischen und technischen Denken anregen – aber es werden auch andere Interessen gefördert. „Es gibt nicht die Kinder, sondern nur das Kind“, sagt Netta. Jedes Kind muss individuell angesprochen und gefördert werden. Es hat ein Recht auf Chancengleichheit und Bildung. Und das schon im Kindergartenalter. Bei Zwei- bis Sechsjährigen sei schon jede Menge Potenzial da.
Mit dieser Einstellung zeigt DigiMINTKids ein ganz eigenes Verständnis von Kindergarten, probiert Neues aus, zeigt viel Engagement in der individuellen Talentförderung und setzt auf Zusammenarbeit. Dafür ist der Kindergarten in 2022 für den Deutschen Kita-Preis in der Kategorie "Lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres" nominiert worden.
Wir brauchen frühkindliche Bildung für alle Themen
Für einen Fokus auf MINT hat sich der Kindergarten entschieden, weil dafür in der Region „unheimlich viel Potenzial da ist und wir hier gleichzeitig enormen Handlungsbedarf haben“, erklärt Netta. Wenn schon im Kindergarten Kontakthemmungen mit MINT-Themen abgebaut werden, brauche es irgendwann keine Aktion wie den Girl’s Day mehr. Die Kinder seien von sich aus neugierig, hätten keine Berührungsängste und können im Kindergarten alltagsorientiert und ohne Zwang lernen, worauf sie Lust haben. Wenn das keine naturwissenschaftlichen Themen sind, sondern zum Beispiel Musik, Sprache oder Kunst müsse das laut Netta ebenso stark gefördert werden. Ihr Appell lautet deswegen: „Wir brauchen frühkindliche Bildung für alle Themen.“
Man lernt anders zu denken
Das kann sehr gut mit Kooperationen gelöst werden – zwischen Kindergärten, mit den Eltern gemeinsam, aber auch zum Beispiel mit Unternehmen, Ehrenamtlichen oder Hochschulen. Aus den Firmen kämen sehr gute Signale, berichtet Netta. Dort sei man sehr motiviert ihr Projekt zu unterstützen. „Wir haben aber zum Beispiel auch einen pensionierten Radiotechniker, der mit den Kindern experimentiert.“ Auch hier zeigt sich der Gedanke des lebenslangen Lernens: ein Rentner erklärt Kindern Technik. Gleichzeitig profitieren die Erwachsenen aber auch von den Kleinen. „Man lernt anders zu denken“, sagt die Kindergartenleiterin. „Erwachsene sind über die Fragen der Kinder immer wieder erstaunt und wundern sich wie tief Kinder in der Fragestellung gehen.“ So kommt es zu einer Partizipation und einem Dialog, der fürs Lernen unverzichtbar ist.
Wir wollen die Saat früh sähen
Seit zwei Jahren gibt es DigiMINTKids nun schon und das Feedback ist durchweg positiv. Damit es mehr Kindergärten, wie diesen gibt, hat der Bund mit mehreren Einrichtungen das Projekt „Haus der kleinen Forscher“ gestartet. DigiMINTKids ist Teil davon und sogar Fortbildungsstandort. Denn diese Art des Kindergartens erfordert Umdenken. So erklärt Netta sei es die Aufgabe der Kindergärtnerinnen und Kindergärtner zu moderieren, nicht gleich alles zu erklären, sondern die Kinder dabei zu begleiten eigene Ideen zu entwickeln und gemeinsam zu lernen. Dafür hat der Kindergarten auch eine andere Ausstattung als andere Einrichtungen: mehr technisches Equipment, wie zum Beispiel Roboter, eher Werkstattcharakter und einen Garten in dem die Kinder bauen, basteln und gärtnern können.
„Wir wollen die Saat früh sähen“, sagt Netta. Lebenslanges Lernen umspannt das ganze Leben – nicht nur die Zeit nach der Schule, im Beruf und in Rente, auch schon im Kindergarten lernen wir und sollten diesen Prozess spannend machen und zusammen fördern. Ganz nach dem Motto von DigiMINTKids: Hier wird Zukunft gemeinsam gestaltet! Die OTH Amberg-Weiden ist gerne ein Teil davon.